Gesellschaft für Informatik e.V.

Lecture Notes in Informatics


INFORMATIK 2010. Service Science - Neue Perspektiven für die Informatik. Band 2 P-176, 673-680 (2010).

Gesellschaft für Informatik, Bonn
2010


Copyright © Gesellschaft für Informatik, Bonn

Contents

Mobile Anwendungen als Datenquelle für das Stoffstrommanagement

Volker Wohlgemuth , Peter Krehahn and Tobias Ziep

Abstract


Sustainable Development ist ein Leitbild, welches von immer mehr Un- ternehmen angenommen wird. Das Stoffstrommanagement spielt in diesem Zu- sammenhang eine wichtige Rolle in Bezug auf die effektive Umsetzung dieses Leitbildes. Jedoch stellt der mit dem Stoffstrommanagement einhergehende Aufwand, der insbesondere mit der Datenerfassung verbunden ist, eine Hemmschwelle für Unternehmen, besonders im Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), dar. Zwar existieren Methoden, die den Prozess der Datenaufnahme im Rahmen des Stoffstrommanagement strukturieren und vereinfachen sollen, doch sind diese meist als analoge Verfahren konzipiert und erfordern eine weitere Erfassung bzw. Wiedereingabe in andere, weiterverarbeitende Informationssysteme. In- sbesondere im Kontext des Stoffstrommanagements stellen sog. betriebliche Um- weltinformationssysteme (BUIS) ein wichtiges Abnahmesystem dar. An dieser Stelle setzt das in diesem Beitrag beschriebene Vorhaben an, welches mobile An- wendungen zur Verfügung stellen will, welche eine digitale Erfassung stoffstromrelevanter Daten für verschiedene Aspekte des betrieblichen Umweltschutzes unterstützen sollen. Dabei wird neben der Standardisierung der Datenerfassung unter anderem auch auf eine direkte Weiterverwendung der gewonnenen Daten in BUIS fokussiert und die Wertschöpfung innerhalb einer Stoffstromanalyse erhöht. 673 Das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development) prägt in den letzten Jahren die Diskussionen im betrieblichen Umweltschutz, wenn es um umweltschutzbezogene Zukunftsbilder für die entwickelten Industriegesellschaften geht (vgl. [Mor06], S. 18ff). Das Ziel, nicht auf Kosten zukünftiger Generationen und somit nachhaltig zu wirtschaften und zu leben, ist mit dem oben genannten Begriff verknüpft. In- sbesondere sind Betriebe aufgefordert, dieses Leitbild bei der Erstellung von Produkten und Dienstleistungen in ihr tägliches Handeln umzusetzen, da diese durch die Herstellung und Nutzung ihrer Produkte und Dienstleistungen direkt an der Umweltbelastung beteiligt sind. Eine Unterstützungshilfe für eine konsequente Umsetzung des Sustainable Developments innerhalb von Betrieben stellt das Stoffstrommanagement dar. Jedoch ist ein aktives Stoffstrommanagement auch immer mir einer Erfassung der Ist-Situation der von dem Betrieb verursachten umweltrelevanten Stoffund Energieströme verbunden, teilweise insbesondere auch aufgrund gesetzlicher Vorschriften. Dies stellt auch die kleinen und mittleren Unternehmen vor die Herausforderung, umweltrelevante Daten zu erfassen, aufzubereiten und zu speichern und macht es notwendig, umweltrelevante Prozessketten und deren Teilprozesse vor Ort zu untersuchen. Aus Stoffstromanalysen ist bekannt, dass die Datenaufnahme insbesondere in KMU wie in Abbildung 1 gezeigt abläuft, nach der händischen Erfassung der Daten, z.B. während einer Begehung, werden die Daten digitalisiert und danach an die Fachabteilung weiterverteilt, bevor letztere die Daten aufbereitet und ggf. in Informationssysteme überträgt (vgl. [Woh081], S. 213ff). Gekennzeichnet ist dieser Ablauf durch einen großen Anteil an händischer Datenerfassung, bei der die einzelnen Teilschritte einen nicht zu verachtenden Kostenfaktor darstellen und das Risiko einer fehlerhaften Datenaufnahme bzw. -weitergabe bergen. Hier können mobile Anwendungen schon während der Datenaufnahme helfen, Fehler zu vermeiden, indem diese z.B. durch die Bereitstellung erfasster Daten aus vorherigen Zeitperioden dem Nutzer Hinweise über die gewonnenen Daten geben. Abbildung 1: Ist-Stand der Datenaufnahme in KMU 674 Das Stoffstrommanagement hilft, das Leitbild Sustainable Development konsequent umzusetzen und ermöglicht eine verursachungsgerechte Zuordnung der Stoffund Energieströme für die betrieblichen Produktionsprozesse. Dabei ist die Auflösung des Unternehmens als Black-Box hin zur White-Box ein grundlegender systemtheoretischer An- satz, der hier bei der stofflichen Analyse der Produktionsprozesse verfolgt wird (vgl. [WO05], S.140). Durch das Stoffstrommanagement soll eine ganzheitliche Beeinflussung von Stoffund Energieströmen sowohl in ökologischer als auch ökonomischer Sicht erreicht werden, die zur Steigerung der Ressourcenbzw. Materialeffizienz und Schaffung nachhaltiger Kreisläufe beiträgt. Das Thema Materialeffizienz und Ressourceneinsparung ist in den meisten KMU ein immer wichtigeres Thema geworden. Trotzdem scheuen sich Unternehmen vor den Investitionskosten, die mit einer Untersuchung der Prozesse verbunden sind (vgl. [Nov09], Interview mit der Geschäftsleitung). Das Instrument des Stoffstrommanagements hat sich aber grundsätzlich als ein erfolgreiches Managementinstrument zur Untersuchung der Unternehmensprozesse durchgesetzt (vgl. [LfU04], S.35). Abbildung 2: Zusammenhang der Prozesse des Stoffstrommanagements und der Stoffstromanalyse, sowie die in diesem Vorhaben fokussierte Phase (rot umrandet) (angelehnt an [Bul00]) Einen wesentlichen Schritt innerhalb des Prozesses des Stoffstrommanagements stellt die Stoffstromanalyse dar (vgl. Abbildung 2). Hier geht es um die Erfassung betrieblicher Stoffund Energieströme als Informationsgrundlage für Planungsentscheidungen, indem die betrieblichen Stoffströme verursachungsgerecht erfasst, aufbereitet und aggregiert werden. 675 In diesem Zusammenhang wird jeder Produktionsschritt bzw. -prozess untersucht, da häufig die größten Energieund Materialverbraucher bzw. Abfallverursacher in Prozessen \?versteckt“ sind, die entweder nicht im Fokus der Wertschöpfung stehen bzw. deren Relevanz für die betrieblichen Entscheider nicht transparent ist, weil die mit den Prozessen bzw. Maschinen verbundenen Stoffund Energieströme nicht bekannt sind bzw. in den betrieblichen Informationssystemen nicht erfasst werden. Dies gilt insbesondere für KMU (vgl. [Woh081] S.213ff). Zur Erfassung wichtiger Stoffund Energieströme im Betrieb (Stoffstromdaten gemäß Abbildung 2), d.h. um die relevanten Stoffund Energieströme entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren und verursachungsgerecht den relevanten Prozessen im Be- trieb zuzuordnen, bedarf es einer technischer Unterstützung zur Optimierung der Datenaufnahme, damit die bisherigen Medienbrüche vermieden werden können. Es ist notwendig die Daten zur Weiterverarbeitung in ein betriebliches Umweltinformationssystem (BUIS) weiterzuleiten, welches diese Daten für die Erfassung, Dokumentation und Bewertung betrieblicher Umweltwirkungen sowie zur Generierung, Planung und Steuerung von Umweltmaßnahmen nutzt. Nur auf dieser Basis ist es möglich, anschließend Erkenntnisse zu erhalten, die für die Weiterund Neuentwicklung der betrieblichen Prozesse oder Produkte unter sowohl Kostengesichtspunkten als auch stofflichen Aspekten genutzt werden können. Auf der Basis der Stoffstromanalyse könnten z.B. Maschinen mit hohem Energie-, Dampfoder Wasserverbrauch bzw. mit hohem Ausschuss identifiziert werden, die durch \?bessere“ bzw. materialeffiziente Maschinen ersetzt werden könnten oder den Ausschuss durch eine Kreislauführung reduzieren. Ggf. kommt der Betrieb durch die Stoffstromanalyse auch zur Erkenntnis, den gesamten Prozess unter Materialoder Energieeffizienzgesichtspunkten umzustrukturieren. (vgl. [Woh05], S. 134ff) Probleme beim Stoffstrommanagement Der Aufwand der Datenerfassung der Stoffund Energieströme wird als recht hoch angesehen, da die genannten umweltrelevanten Informationen erst im Betrieb zusammengesucht werden müssen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass KMU nicht wissen, welche Daten in Zusammenhang mit Stoffstromanalysen zur Identifizierung von Effizienzpotentialen überhaupt erfasst werden müssen. Hier gibt es jedoch einige Ansätze, die KMU unterstützen sollen, eine Idee zu entwickeln, welche Daten in welcher Form erfasst werden müssen, z.B. Checklisten, die Methoden Value Stream Mapping, Material Stream Mapping1. Allerdings basieren diese Methoden ausschließlich auf der Erfassung der Stoffund Energieströme durch Fragebögen in Papierform. Diese Erfassungsproblematik von Stoffströmen verschärft sich häufig noch, wenn man spezielle, kaum transparente Stoffströme, wie Energie, Wasserdampf, Druckluft oder Wasser betrachtet.


Full Text: PDF

Gesellschaft für Informatik, Bonn
ISBN 978-3-88579-270-3


Last changed 04.10.2013 18:34:30